Nicht nur die Kartoffel glänzt in der Provinz

25. November 2019 / Bühne frei für regionale Künstler*innen sowie den international bekannten Künstler Rainald Grebe mit seinem Programm »Solo Spezial«. Die »Kartoffel im Strahlenkranz« setzte das Erscheinungsbild des Abends zentral ins Bühnenbild.

Zum wiederholten Mal fanden am 22. November die »Groß Kreutzer Kulturnächte« statt, im »Gasthaus zur Eisenbahn« in Groß Kreutz. Gäste aus Groß Kreutz und Umgebung, Potsdam und Berlin waren angereist – der Saal gefüllt, heißt: ausverkauft.

Ungewöhnlich aber die Umstände für die Gasthausbetreiberin Renate Lange: die Gäste sitzen an gedeckten Tischen im Jugendstilsaal. Essen und Getränke dürfen bestellt werden. Auf jedem Tisch liegt das gedruckte Programm für den Abend und eine Kartoffel. Renate Lange besteht auf ihren Umsatz. Ihre anfängliche Skepsis gegenüber dem Konzept der Veranstaltungserie »Glanz der Provinz« in ihrem Haus ist der besten Unterstützung gewichen, die sich Konzertveranstalter wünschen können.

Das Konzept -Sichtbarmachen regionaler Kunstvielfalt in Verbindung mit überregionaler Hochkultur- ging auf. Das Publikum nahm das Programm dankbar und gut gelaunt an: Musikbeiträge, Performance, Literatur sowie das Konzert von Rainald Grebe als abschließender Höhepunkt.

Den Auftakt macht die russischstämmige Olga Helmold mit ihrem Musikbeitrag »Перемирие« – »Waffenstillstand« – vom Publikum mit Russischkenntnis übersetzt. Eine eindrucksvolle, leidenschaftliche Darbietung.Weiter geht es mit einem ebenfalls musikalischen Beitrag »Unser Dorf Groß Kreutz« des Duos Thomas Becker & Thomas Lück. Text und Melodie stammen ursprünglich aus der Feder des ehemaligen Groß Kreutzer Gemeindepfarrers Friedrich Hilgendorf, wie das Publikum aus der anschließenden Moderation erfährt.

Newcomer aus der Nachbarschaft: die Schülerinnen Amelie Pölzing, Shirley Stieler und Lisanne Schmohl begeistern das Publikum instrumental und gesanglich mit ihren Interpretationen »All of me« von John Legend und »Skinny Love« von Birdy/Justin Vernon. Shirley Stieler und Lisanne Schmohl begleiten mit Geige und Klavier, Sängerin Amelie spricht anschließend über ihre zukünftigen musikalischen Ambitionen.

Vom Publikum gefeiert wird Sebastian David, alias Pan Panazeh, für seinen anschließenden Beitrag. Als »Don Carotte« kämpft er mit Akkuschraubern, schiefen & schönen Tönen & Karotten und holt sich dafür das Publikum auf die Bühne. Mit dessen Unterstützung wagt er ein akustisches Experiment mit angebohrten Möhren. Unter Anleitung des Dirigenten »Don Carotte« bläst das Karottenorchester den Kanon »Meister Jacob« – eine klangvolle und biologisch abbaubare PanFlötenPerformance.

Das »Einheitslied« und den »Bochow Blues« bringt Jan Tilman Schade auf die Bühne. Er begleitet sich instrumental auf dem Cello. Der Künstler, der in Bochow den Seminarhof »MollanDur« betreibt, war in früheren Zeiten als Arrangeur bei der Industrialband »Einstürzende Neubauten« tätig. Er steht dem Publikum Rede und Antwort für eine spektakuläre Anekdote:
Über die Tasten des von ihm zur Verfügung gestellten Klaviers sollen seinerzeit im Schönberger Rathaus schon die Finger des damaligen Präsidenten John F. Kennedy geglitten sein.
Geht noch mehr Glanz?

»Mutterstadt« heißt ein Text. Er ist von Autorin Katrin Askan und der literarische Beitrag des Abends. Sie liest ihren Text mit einer beeindruckenden Präsenz. In der nachfolgenden Moderation spricht sie über ihre besondere Verbundenheit mit der Provinz.

Gerhard Gundermanns Song »Ich mache meinen Frieden«, von Henry Mertens interpretiert, setzt den Schlußpunkt des ersten Teils.

Nach einer Pause erlebt das Publikum ein Konzert mit Rainald Grebe. »Solo Spezial« ist ein wunderbar dadaistisches Programm: aus Koffer, Taschen und Hirn entspringt die musikalische und poetische Welt des Künstlers. Ein toller Höhepunkt, nicht nur für Fans.

Der Abend konnte in diesem Experimentierfeld überzeugen und verlieh ihm damit seinen Glanz inmitten der Provinz.

Damit bleibt die Vision von »Glanz der Provinz« erhalten. Kultureller Glanz ist eben auch der Lebenssaft für eine Region oder »Die Kartoffel auf dem Tisch«.